AM MORGEN DES 18. März 1996 besetzen dreihundert
Afrikaner, unter ihnen
etwa hundert Kinder, die Kirche Saint -Ambroise im 11. Stadtkreis von Paris, um
die Regularisierung ihrer Papiere zu verlangen. Am 22. März werden sie von
der Polizei vertrieben. Nachdem sie in Paris herumirren und vorübergehend
in der Turnhalle Japy unterkommen, wo während der deutschen Besetzung die
zur Deportation bestimmten Juden gefangengehalten werden, werden sie von Ariane
Mnouchkine in ihrem Theater, der Cartoucherie in Vincennes, aufgenommen. Ariane
Mnouchkine stellt ein Kollegium der Mittler auf,
das von 26 bedeutenden Persönlichkeiten des politischen und kulturellen
Lebens Frankreichs,
gebildet wird. Die Afrikaner begeben sich in ein ehemaliges Warenlager der
französischen Staatsbbahnen in der rue Pajol im 18. Stadtkreis (Viertel
der Goutte d'Or, wo Zolas Asssommoir spielt). Es beginnt eine lange
Wartezeit. Die Regierung hat den Mittlern versprochen, daß die Gesuche
nach Regularisierung mit "Wohlwollen" untersucht würden. Am Mittwoch, den
26. Juli, wird die Antwort der Regierung veröffentlicht: von 205 von der
Verwaltung angenommenen Fällen, erteilt die Regierung 22 auf drei Monate
befristete Aufenthaltsgenehmigungen und Arbeitsbewilligyungen, die ggf.
verlängert werden können. Die übrigen Afrikaner müssen das
französische Territorium innerhalb eines Monats verlassen. Die Mittler
fühlen sich hintergangen. Mehr denn je entschlossen, ihre Würde zu
verteidigen, suchen die Afrikaner Zuflucht in der Kirche Saint-Bernard. Sie
handeln so im Einverständnis mit dem Papst, der die Kirche verpflichtet,
"illegale" Ausländer aufzunehmen.
Am 5. Juli treten zehn Afrikaner in den Hungerstreik. Am 12. August, dem 38.
Tag des Hungerstreiks, dringt die Polizei im Morgengrauen in die Kirche ein und
verschleppt die Streikenden in öffentliche Krankenhäuser. Die
dortigen Ärzte verweigern ihre Verwahrung. Die Streikenden begeben sich
sogleich wieder zu Fuß in die Kirche.
Von jenem Tag an nimmt sich die breite Öffentlichkeit des Problems an,
Hunderte pilgern zur Kirche und mehrere Demonstrationen mit über
zehntausend Beteiligten finden in Paris statt. Die Linksparteien und die
Mehrheit der Gewerkschaften ergreift Partei für die Afrikaner. Die
Spannung steigt. Von Tag zu Tag wird der Eingriff der Polizei befürchtet.
Am 23. August, am frühen Morgen stürmt schließlich Polizei und
Gendarmerie mit äußerster Brutalität die Kirche. Zehn Afrikaner
werden sofort abgeschoben, unter ihnen Familienväter, deren Frauen und
Kinder in Frankreich bleiben dürfen, die übrigen werden durch die
Justiz wieder auf freien Fuß gesetzt und kommen erneut 32, rue du
Faubourg-Poissonnière, 75010 Paris, zusammen, wo sie sich heute, am 1.
Oktober 1996 befiinden.
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